...Gleich darauf führte ich, bedrückt durch den trüben Tag und die Aussicht auf den folgenden traurigen, einen Löffel Tee mit dem aufgeweichten kleinen Stück Madeleine darin an die Lippen. In der Sekunde nun, als dieser mit dem Kuchengeschmack gemischte Schluck Tee meinen Gaumen berührte, zuckte ich zusammen, und war wie gebannt durch etwas Ungewöhnliches, das sich in mir vollzog. Ein unerhörtes Glücksgefühl, das ganz für sich allein bestand (...) hatte mich durchströmt.(...)  Es ist ganz offenbar, dass die Wahrheit die ich suche, nicht (im Tee) ist, sondern in mir. Er hat sie dort geweckt. (...)
Und dann mit einem Male war die Erinnerung da. Der Geschmack war der jener Madeleine, die mir am Sonntagmorgen in Combray (...) sobald ich in ihr Zimmer guten Morgen sagte, meine Tante Léonie anbot, nachdem sie ihn in ihren schwarzen oder Lindenblütentee getaucht hatte. (...) Sobald ich den Geschmack jener Madeleine wiedererkannt hatte (..) stiegen (...) jetzt ganz Combray und seine Umgebung, alles deutlich und greifbar, die Stadt und die Gärten auf aus meiner Tasse Tee.

Marcel Proust:
Auf der Suche nach der verlorenen Zeit-
Band I: In Swanns Welt

Suhrkamp, Frankfurt a.M. , 2000, S. 63 ff